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Friedrich Kracht: Konkret Paradox / Räumliche Illusionen
»Serielle Systeme, offene, geschlossene, produzierende generativ sich wandelnde Elementesysteme. Bausteine von Mikro- und Makroorganismen, der Materie. (Auch des Raumes, auch der Zeit?) In Reihung, Ebene, Raum. Sichtbarmachen von "Unmöglichem" doch Vorstellbarem. Symbole Wegzeichen Zeugnis anderer Dimensionen, die erschlossen werden bei der Suche nach dem, ,was diese Welt im Innersten zusammenhält?« Friedrich Kracht Betrachtet man die Werke von Friedrich Kracht, wird man sehr deutlich seinen konstruktivistischen Stil feststellen, der sich der Konkreten Kunst verpflichtet weiß, und sich durch freiwillige Bescheidung in Form und Farbe auf das Wesentliche konzentriert. In der kunstgeschichtlichen Betrachtung gilt der De Stijl-Künstler Theo van Doesburg als der Vater der Konkreten Kunst. Mit dem Bestehen darauf, dass ein Punkt ein Punkt, eine Linie eine Linie und eine Fläche eine Fläche ist und nicht immer schon ein abstrahiertes Abbild der Wirklichkeit, betont er die Nichtbezüglichkeit der Kunst und die Eigenwertigkeit des Dargestellten als es selber. Immer wieder sind es Geraden, Winkel, Bögen und Diagonalen, die der Künstler Friedrich Kracht verwendet, um Formen zu gestalten, die mit kräftigen Farben hervorgehoben und hinterlegt werden. Ganze Serien entstehen so als Variationen einer bestimmten Form, die sich verändert und entwickelt. Unweigerlich sucht der Betrachter nach Konstanten und Veränderungen innerhalb einer Serie, um so ein bestimmtes, rational nachzuvollziehendes System zu erkennen. Ebenso sucht er, nur viel länger und mühsamer, nach einem logischen System der Varianten in den Schwarz-weiß-Bildern, die sich zu dieser Mutation bereits durch ihren Titel bekennen: »Gruppenwandlungen«. Auch hier wird spiralförmig konsequent eine Variation der Grundmodule Winkel, Bogen, Doppelgerade oder Diagonale in einer Grundanordnung von zwei bzw. vier Elementen unternommen. Scheinbar einfache Dinge sind verschlüsselt und reizen zur Entschlüsselung im Nachgehen der bildlichen Folgen der einzelnen Elemente, die in ein endliches, logisches System gepackt sind. Gerade die scheinbare Klarheit der Struktur, der offensichtlich rational nachvollziehbare Bildaufbau suggeriert dem Betrachter eine Eindeutigkeit, eine Sicherheit über den dekorativen Charakter dieser Serien hinaus, die auch an Gestaltungsformen am Bau erinnern, dem sich der Künstler ja verpflichtet wusste. So sehr der strenge Bildaufbau, die Klarheit der Linien und Flächen, die mathematische Logik der Einzelheiten und die Leuchtkraft der bewusst gewählten Farben in den Bildern Friedrich Krachts eben den konstruktivistischen Kunststil betonen, wird bei längerem Hinsehen der analytische Blick, der der Konstruktion folgt, bei einer ganzen Reihe von Bildern irritiert, wird gegen den Versuch einer rationalen Durchdringung des Bildes eine paradoxe Seherfahrung gemacht. Nimmt man die schwarz-blaue Einbalkenkonstruktion vor leuchtend rotem Hintergrund: Je nachdem, von welchem Linien- und Flächensystem man ausgeht, scheint eine Eindeutigkeit dergestalt gegeben zu sein, dass man einen dreidimensional konstruierten Körper einen Balken in den Raum vorspringen bzw. zurückzugehen sieht. Flächen, die gerade noch dominierend waren, weil sie eine Vorderansicht bedeuteten, treten aber auf einmal zurück und werden zu Seitenansichten oder Unteransichten. So sehr die Farben und der punkt- oder drehsymmetrische Bildaufbau die Eindeutigkeit des Dargestellten unterstreichen, so sehr wird durch den jeweiligen perspektivischen Konstruktionszusammenhang diese Eindeutigkeit in Frage gestellt. Spätestens der gedachte Versuch, die Balkenkonstruktion real nachzubauen, macht das Paradoxe dieser Bildkonstruktion deutlich. Unsere Sehgewohnheiten gehen immer schon dahin, die vorgegebenen Linien und Flächen in den Bildern Krachts zu perspektivisch in sich geschlossenen Einheiten zusammenzuführen, was aber nicht gelingt. Der flächige Gesamteindruck der Konstruktion ist illusionistisch räumlich, wie es durch die angedeutete Perspektive nahe gelegt wird, nicht durchzuhalten, sondern zerbricht in ein Wechselbild unterschiedlicher Perspektivsysteme, die in einem einheitlichen System nicht auszugleichen sind. In diesem Wechselspiel zwischen Sehen und rationalem Nachvollziehen dessen, was man sieht, liegt die Bedeutung der Bilder Friedrich Krachts. Wahrnehmen und Denken werden durch das Paradoxon gegeneinander gesetzt und führen den Betrachter in eine Ratlosigkeit, die dem Paradoxon eigen ist, führen ihn zum erneuten Sehen und wieder zum Nachdenken und damit zum Zweifel an dem, was hier erscheint, denn das, was ist, erscheint uns ja immer nur. Mag die Farbgebung und der Bildaufbau vordergründig betören durch vermeintliche Eindeutigkeit und durch die emotionale Wirkung der Farbe, hintergründig wird der Betrachter in einen Zweifel gestürzt, einen Zweifel an der Logik des eigenen Denkens und an der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit. Dem Sehen als der Möglichkeit, Kontakt zu der Welt aufzunehmen, die den Betrachter umgibt durch das Auge als symbolisches Fenster wird ein Vorrang vor dem nachvollziehenden Denken, d.h. dem Nach-Denken eingeräumt. Das Sehen führt nämlich den Verstand bis an seine Grenzen, ja überfordert ihn eigentlich, weil das Gesehene, das, was dem Betrachter erscheint, rational nicht einlösbar oder gar auflösbar ist. Wenn der Zweifel der Anfang aller Wissenschaft ist, dann ist die Stimulanz dafür das Staunen angesichts einer Paradoxerfahrung, wie z.B. im Sehen der konkreten Bilder von Friedrich Kracht. Dr. Philipp Reichling Literatur: Friedrich Kracht, Formfindungen, Dresden, 1993 KonkretParadox, Dresden, 2000 Retrospektive, Bochum, 2001. |
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